Dienstag, 28. März 2017

Review: Everything (PS4) - Das interaktive Philosophie Seminar

In Everything könnt ihr, im wahrsten Sinne des Wortes, ALLES sein. Ein Grashalm, eine Insel, ein Planet, das ganze Universum! Everything ist eine interaktive Philosophie-Stunde, die zum Nachdenken anregen soll. Ob das Experiment funktioniert, erfahrt ihr in der folgenden Review.


Sowohl als Spieletester, als auch als Student der Philosophie, fällt es mir unglaublich schwer, "Everything" überhaupt in Worte zu fassen, geschweige denn zu bewerten. "Everything" ist sehr viel anders als alles, was ich bisher in Spieleform erlebt habe. Am ehesten zu vergleichen wäre es wohl noch mit dem, ebenfalls sehr experimentellen, "Spore".
In "Everything" könnt ihr die Gestalt vieler verschiedener Existenzformen annehmen. Ihr könnt kleiner sein als ein Sandkorn, existieren auf einem zellularen Level oder gar das ganze Universum lenken. Die Übergänge sind fließend.
Das Spiel lässt euch jedoch langsam an eurem Auf- bzw. Abstieg arbeiten. Am einfachsten für den Anfang ist das Fortbewegen als eines von vielen Tierarten. Ihr könnt euch Partner oder ganze Herden suchen, mit ihnen durchs Land streifen oder Liebestänze aufführen, um euch fortzupflanzen. Eure Umgebung versucht mit euch zu kommunizieren. Andere Tiere, aber auch Bäume oder Steine sprechen zu euch, wenn ihr euch nähert. Zudem könnt ihr jederzeit singen. Von eurer aktuellen Form aus, wechselt ihr per Tastendruck in nahe stehende, kleinere oder größere Einheiten. Beispielsweise ein Grasbüschel oder ein Baum.
Das erste, was bei "Everything" ins Auge sticht, sind die absurden Fortbewegungen der Tiere. Statt auf allen Vieren zu laufen, überschlagen sich einfach ihre kompletten Körper. "Rollen" quasi vorwärts. Sicher war es hier zu schwierig, jedem einzelnen Tier eine Animation zu geben, womöglich war es aber auch Absicht. In jedem Fall gibt es dem Spiel ein einzigartiges Äußeres und war für mich der Auslöser, mir das Spiel näher anzusehen.

Andere Fortbewegungen, beispielsweise bei ganzen Landmassen, aber auch Pflanzen, die statt zu laufen einfach vorwärts wachsen, überraschend schön dargestellt.
Das erste Mal von einer kleinen Lebensform in eine größere zu wachsen und schließlich immer weiter hinaus zu schießen, ist ein absolut einmaliges Erlebnis, wird aber auch beim zweiten und dritten Mal noch nicht weniger faszinierend. Plötzlich seid ihr keine Insel mehr, sondern der ganze Planet. Dann wechselt ihr zu einem anderen Planeten oder schließlich zur Sonne selbst, von der aus ihr noch weiter hinaus könnt. Und was passiert, wenn ihr nicht mehr größer werden könnt? Wenn ihr bereits eine undefinierbare Lebensform seid, noch größer als die verschiedenen Galaxien? Nun, das müsst ihr selbst herausfinden, aber es ist sicher eine "mindfuck".

Viel "Spiel" steckt in "Everything" eigentlich nicht. Der spielerische Reiz liegt ausschließlich darin, verschiedene Lebensformen auszuprobieren und sie zu sammeln. Es zeigt euch an, wie viel Prozent der Tierwelt, Pflanzenwelt usw. ihr bereits gefunden habt. "Everything" ist aber viel mehr ein interaktives Philosophie-Seminar. An verschiedenen Punkten im Spiel könnt ihr Audiologs auslösen und sprechen beginnt die Stimme des britischen Philosophen Alan Watts (1915-1973).
Tatsächlich veranschaulichen die Erlebnisse, die ihr Spiel selbst schaffen könnt, Watts' Theorien auf perfekte Art und Weise. Seine Lehren ermahnen, die eigene Existenz nicht zu unterschätzen, sich selbst als Teil des Ganzen oder sogar das Ganze selbst zu sehen. Jeder von uns ist Teil des Urknalls, jeder ist Teil von allem. Ob euch Watts' Theorien interessieren, überzeugen oder generell nicht interessieren ist euch überlassen, doch sie sind ohne Zweifel noch zeitgemäß und gerade jetzt womöglich mehr denn je.

Fazit: "Everything" als Videospiel zu bewerten hätte wohl nicht viel Sinn, weshalb ich im Folgenden auch keine Punkte vergeben werde. Es bietet ein einzigartiges Erlebnis und stellt auf wunderschöne Art und Weise den Zusammenhang von allem Leben und aller Existenz dar. Die visuellen Elemente unterstützen den Wow-Effekt und den fließenden Übergang zwischen den verschiedensten Ebenen. Everything ist aber sicher kein Spiel für jeden und nicht jeder wird die philosophischen Aspekte als ausreichenden Grund sehen, für dieses Erlebnis 15€ auszugeben. Überlegt euch also gut, ob ihr für die Reise bereit seid, auf die Everything euch mitnehmen will.
Vielen Dank an die Kollegen von Double Fine, die uns Everything als Review Code zur Verfügung gestellt haben.
Die Bilder in dieser Review stammen aus dem offiziellen Press Kit auf www.everything-game.com

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